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Die Baselbieter Aussenquartiere einbeziehen
Leute von Binningen, Münchenstein, Muttenz oder Birsfelden "gehen
in die Stadt". Einwohnerinnen und Einwohner von Liestal, Sissach
oder Gelterkinden "fahren nach Basel". Die Wortwahl steht für
ein anderes Bewusstsein dies- und jenseits der "Hülftenschanz".
Die Einwohnerschaft im Agglomerationsgürtel fühlt sich der Stadt
Basel zugehörig. Im mittleren und oberen Kantonsteil fährt man
jedoch ebenso bewusst vom eigenen Ort in einen anderen, in die
nahe Stadt Basel. Man muss schon darum "Basel" sagen, weil sonst
ebensogut das relativ nahe Olten oder dank guter Verkehrsverbindungen
sogar Zürich gemeint sein könnten.
Apropos: Wäre Basel Zürich, gäbe es die beiden Halbkantone nicht,
Binningen, Münchenstein, Muttenz oder Birsfelden würden ebenso
zu Basel gehören wie Höngg oder Schwamendingen zu Zürich. Und
auch wenn es die politischen Konstellationen nicht zulassen. Faktisch
sind auch sie zu Aussenquartieren der aus allen Nähten platzenden
"Kernstadt" geworden.
Agglomeration "überaltert"
Dass sie mit dieser "Kernstadt" immer mehr die Vor- und Nachteile
des Zentrums teilen werden, belegt eine unlängst erschienene Untersuchung.
Die im Auftrag der Regionalplanung beider Basel vom Zürcher Büro
Wüest & Partner erarbeitete Studie "Einwohnerperspektiven für
die Region Nordwestschweiz bis zum Jahr 2015" kommt zum erstaunlichen
Befund, dass künftig nicht die Stadt Basel, sondern die Agglomeration
"überaltert" sein wird. Während in Basel-Stadt der Anteil der
über 65jährigen je nach Szenario um 1900 bis 3300 Personen (oder
um 4,7 bis 8,2 Prozent) zurückgehen wird, prognostiziert die Studie
für Baselland einen Zuwachs von rund 20 000 Personen (plus 56
bis plus 59 Prozent, je nach Szenario). Im inneren Agglomerationsgürtel
seien im Jahr 2015 die 55- bis 75jährigen "deutlich stärker vertreten
als in der Zentralstadt", heisst es in der Studie. Und: Während
Basel-Stadt bei den Jungen bis 19 Jahren eine Zunahme zwischen
1,5 und 7,4 Prozent erwarten darf, muss Baselland einen Rückgang
von 6,1 bis 9,4 Prozent gewärtigen.
Die Zahlen belegen, wie sehr die auf dem Gebiet des Kantons Baselland gelegenen "Aussenquartiere" in städtische Problemstellungen einbezogen
sein werden. Je schneller dies den Betroffenen bewusst werden
wird, desto besser und desto partnerschaftlicher lassen sich
diese künftig angehen. Die Zukunft wird auch zeigen, wie sehr
dies zu einem "Geben und Nehmen" werden könnte. Vermehrten Abgeltungsleistungen
der Vorortsgemeinden für zentralörtliche Leistungen könnte beispielsweise
bei der Betagten-Betreuung eine Nutzung der freiwerdenden Basler
Kapazitäten gegenüberstehen.
"Greater-Basel"-Rat
Mit dem Bewusstseinsprozess einhergehen müsste aber auch eine
Anpassung der politischen Strukturen. Die Partnerschaft zwischen
Basel-Stadt und Baselland krankt unter anderem daran, dass sie
sich weitgehend auf die Kantonsebene beschränkt, wobei der unterschiedliche
Aufbau der beiden Staatswesen die Prozesse noch erschwert. Baselland
kennt die klassische Kompetenzaufteilung zwischen Gemeinden und
Kanton, in den politischen Gremien von Basel-Stadt mischen sich
die Aufgaben von Kantons- und Stadtverwaltung. Dies führt dazu,
dass sich Baselland in typisch städtischen Belangen für nicht
zuständig erklärt. Auf der anderen Seite fehlt für Basel-Stadt
weitgehend der Ansprechpartner in den Baselbieter "Aussenquartieren".
Umgekehrt ist es ähnlich. Ein stadtnaher Gemeindepolitiker kann
mit einer Baselbieter Nachbargemeinde direkt grenz-überschreitende
Schwierigkeiten lösen. Will er dasselbe mit der benachbarten Stadt
tun, dann muss er im Prinzip den Umweg über Liestal wählen.
Am einfachsten zu lösen wäre das Problem mit einer Eingemeindung
der stadtnahen Gemeinden. Weil dies angesichts der Kantonsgrenze
nicht möglich ist, böte sich als Alternative eine Aufwertung der
bereits bestehenden Vorortskonferenz an. Sie könnte unter Einbezug
von Basel zu einem "Greater-Basel"-Rat ausgebaut werden.
Martin Brodbeck
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Basler Zeitung; copyright
Basler Zeitung 1997)
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